Festschrift 100 Jahre Marktgemeinde Gratkorn

Am 10. Mai 1922 wurde Gratkorn zur Marktgemeinde erhoben. Wenn wir heuer „100 Jahre Markt- gemeinde Gratkorn“ feiern, sollten wir bedenken, in welchem geschichtlichen Umfeld dieser damalige Festakt zu sehen ist: Der 1. Weltkrieg ist gerade einmal knappe vier Jahre vorbei, die erlebten Kriegsdramen sind fest in den Köpfen verankert. 1.476 Männer, etwa 30 %der Gratkorner Bevölkerung, waren zumHeer einberufen worden, 113 waren an verschiedenen Fronten gestorben. Die Preise begannen ins Unermessliche zu steigen, die Lebenshaltungskosten betrugen bis Sommer 1922 das 14.000fa- che der Vorkriegszeit. Jeder versuchte, „Marktgemeinde“ – was ist das eigentlich? sein Geld loszuwerden, so lange es noch irgendeinen Wert hatte, was wiederum für einen kurzen Wirt- schaftsaufschwung sorgte, der heute als die „golde- nen 20er“ geflügeltesWort ist. Der damalige Vize- bürgermeister Ing. Fritz Heese formu- lierte in seiner Festrede: „Die territorial günstige Lage, die unmittelbare Nähe zur Landeshauptstadt müssen uns erkennen lassen, dass Gratkorn dereinst eine Grazer Vorstadt bilden wird und diese Voraus- sicht wird sich bereits in dem Momente erfüllen, als das Straßenbahnprojekt Gösting bzw. Andritz – Gratkorn ver- wirklicht wird.“ Noch im Jahr 2012 war an- lässlich des damaligen Ju- biläums „90 Jahre Markt- gemeinde“ der Glaube an die Magie von Ehrentiteln so groß, dass der Gemeinde- rat den Beschluss fasste, ein Ansuchen zur Erhebung zur Stadtgemeinde zu stellen. Aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten sah der damalige Bürgermeister allerdings von der Umsetzung dieses Beschlusses ab. Österreich ist das Land der Titel, eingeführt von einer Monarchie, der das Geld ausging und anstelle dessen eben Titel und Orden vergab. So ähnlich ist das auch mit dem Titel der „Marktgemeinde“: Ein Ort, der im Mittelalter zum Markt erhoben wurde, durfte Märkte veranstalten und dafür Geld einheben. Zu dieser Zeit gab es Gratkorn noch gar nicht. 100 Jahre Marktgemeinde Gratkorn | Geschichte Anton Kamper Bürgermeister von 1919 bis 1933 6 Fotos: www.gratkorn100.at Im Jahr 1922 ging es der Gemeindeführung darum, ein Zeichen für den Glauben an eine gedeihliche Zukunft in der Bevölkerung und dafür, um in der Landespolitik als wichtig genug zu gelten, um gefördert und unterstützt zu werden, zu setzen. 1922

RkJQdWJsaXNoZXIy NjM5MzE=