Festschrift 100 Jahre Marktgemeinde Gratkorn

Die zweite Phase ist jene, in der Indus- trialisierung und Demokratisierung das Leben veränderten: Im Jahr 1839 wurde die Papiermühle gegründet, die 1873 zu einem Bestandteil der Leykam-Josefsthal AGwurde und derenMitarbeiterzahl von knappen 60 im Jahr 1848 auf über 1.200 im Jahr 1890 gestiegen war: Damit vollzog sich der Wandel von der landwirtschaft- lichen zur industriellen Prägung, begleitet erst von zwei Weltkriegen, einer Welt- wirtschaftskrise und den Entbehrungen der Nachkriegszeit auf der einen, und dem zunehmenden Glauben an die Zukunft, an ein Leben in einem sicheren Europa und die ungebremste Weiterentwicklung von Wirtschaft und Wohlstand auf der anderen Seite. Heute ist Gratkorn eine der beliebtesten Wohn- und Arbeitsorte Sappi ist zu einem der wichtigsten Papier- erzeuger weltweit aufgestiegen, der immense Anstrengungen für eine nach- haltige Papierproduktion unternimmt. Die Firma NXP Gratkorn ist weltweit eine der ersten Ideenschmieden imHoch- technologiebereich. Die in Gratkorn ansässigen Firmen J. Christof und Man- nesmann Salzgitter genießen ebenso Weltruf. Am Handwerkssektor sind die S. Jaritz und die Firma LEX zu Markt- führern im Stahlbausektor geworden. Diese beeindruckenden Beispiele für Grat- korner Erfolgsgeschichten bringen aber auch Probleme mit sich: Der Zuzug in die Gemeinde hält unvermindert an und große Herausforderungen im Infrastrukturbe- reich gehen damit einher. Ein weiterer Grund für die enorme Be- liebtheit Gratkorns als Wohngemeinde ist das vorbildliche Angebot im Familienbe- reich. Kaum ein anderer Ort verdient die Auszeichnung als kinder- und familien- freundliche Gemeinde mehr als Gratkorn. Dieser wichtige Lebensbereich war und ist ein Fixpunkt der Gemeindepolitik. Auch der Erhalt des grünen Hinterlandes steht ganz oben auf der Aufgabenliste der Gemeinde. So versucht man die zu- künftige Siedlungsentwicklung und Ent- wicklungsbereiche inmaßvoll verdichteter Form zu gestalten. Und wie hat es Bürgermeister Michael Feldgrill zum Thema Umweltschutz befragt, treffend formuliert: „Beim Umweltschutz und den damit verbunden neuen Aufgaben kann man gar nie genug unternehmen. Innovative Ideen und Lö- sungen sind gefragter denn je. Wir müssen künftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt hinterlassen. Das ist sicher die wichtigste Aufgabe und zugleich die größ- te Herausforderung für uns alle.“ Die dritte Phase beginnt wohl mit Beginn der 90er-Jahre: Die Papierfabrik kündigte erstmals an, Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter abzubauen. Der allgemeine Zu- kunftsglaube begann Risse zu bekommen. Luft- undUmweltschutz wurden vermehrt zum Thema, die Verkehrslawine durch Gratkorn wurde zum Problem. Themen wie Flächenversiegelung, Naturschutz, Artensterben und Klimawandel, die heute zentral sind, begannen langsam aufzu- keimen. Der Glaube an ungebremstes Wachstum wurde ernsthaft hinterfragt. Gratkorn aus der Luft Foto: © Reinhard Nunner Nicht mehr die ungehemmte Mehrung von Wohlstand, erzielbar durch noch mehr Wirtschaftsleistung ist das alleinige Ziel. Eher dessen Bewahrung auf hohem Niveau im Einklang mit der Ökologisierung unseres Lebensstils zur Rettung der Welt, wie wir sie kennen, für die nachfolgenden Generationen. 5

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